Makuladegeneration

CATT-Studie: Avastin und Lucentis Kopf an Kopf

Übersicht CATT-Studie


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Avastin und Lucentis Kopf an Kopf

Quelle: Gegenwart, DBSV-Mitgliedermagazin, Ausgabe Juli/August 2011

Das eine Medikament teuer und zugelassen, das andere sehr viel preiswerter, aber nicht zugelassen: Seit Jahren schwelt ein heftiger Konflikt um die Therapie bei feuchter AMD (Altersabhängige Makula-Degeneration). Entsprechend groß ist das Interesse an einer US-amerikanischen Vergleichsstudie. Das erste Ergebnis: Lucentis und Avastin wirken annähernd gleich gut.

Im Jahr 2008 startete das US-amerikanische National Eye Institute eine öffentlich finanzierte Arzneimittelstudie, um Avastin und Lucentis in Wirkung und Nebenwirkungen miteinander zu vergleichen. Beide Arzneimittel werden für die Behandlung der feuchten AMD eingesetzt, obwohl nur Lucentis dafür zugelassen ist. Beide hemmen das Einwachsen von krankhaften Blutgefäßen in die Netzhaut, wodurch eine rasche Sehverschlechterung vermieden und häufig sogar eine Sehverbesserung erzielt werden kann. Systematisch erhobene Daten zur Anwendung von Avastin am Auge lagen bislang nicht vor.

Ende April veröffentlichte nun das National Eye Institute die ersten Zwischenergebnisse seiner CATT-Studie (CATT = Comparison of AMD Treatment Trials). Wie das erste Studienjahr zeigte, nimmt die Sehschärfe bei Behandlung mit Avastin und Lucentis gleichermaßen gut zu. 70 bis 90 Prozent des Sehschärfenanstiegs wurden in den ersten drei Monaten erreicht, beide Wirkstoffe waren dabei gleich effektiv.

Lokale Nebenwirkungen wie Augenentzündungen oder Augeninnendruckanstieg waren bei beiden Medikamenten ähnlich selten. Schwere Nebenwirkungen mit stationärer Behandlungsbedürftigkeit traten unter Avastin-Behandlung etwas öfter auf als unter Lucentis-Gabe. Eine Häufung bestimmter Krankheiten ließ sich jedoch nicht ausmachen und für die Augenärzte ist noch offen, ob der Effekt überhaupt mit der Avastin-Behandlung in Verbindung steht. Das nächste Jahr der CATT-Studie sowie weitere zurzeit in Deutschland und Großbritannien durchgeführte Vergleichsstudien müssen die Datenlage bezüglich dieser Risiken verbessern.

In der CATT-Studie wurden auch verschiedene Therapieschemata untersucht. Einerseits wurden beide Medikamente monatlich injiziert, andererseits bedarfsorientiert. Bedarfsorientiert bedeutet, dass nach drei Injektionen in monatlichem Abstand erst dann erneut behandelt wird, wenn die feuchte AMD wieder aktiv ist. Mit bedarfsorientiertem Spritzen von Lucentis wurde eine ähnliche Sehschärfe erreicht wie mit einem starren monatlichen Therapieplan. Bei Avastin war das Ergebnis nicht ganz eindeutig, weitere Daten müssen hier noch abgewartet werden. Beim Spritzen nach Bedarf wurden nur etwa sieben statt zwölf Injektionen pro Jahr benötigt.

Die Wissenschaft hat gesprochen und einige Fragen aus medizinischer Sicht klären können. Aber was bedeuten die Studienergebnisse für den AMD-Betroffenen in Deutschland?

Zunächst zum Therapieschema: In der CATT-Studie wurde beim bedarfsorientierten Spritzen monatlich eine Optische Kohärenztomografie (OCT) durchgeführt, um die Frühzeichen einer wieder einsetzenden feuchten AMD zu erkennen. Diese Untersuchung ist in Deutschland bisher nicht Standard und muss in der Regel vom Patienten selbst gezahlt werden. AMD-Betroffene werden hierzulande deshalb viel zu selten feindiagnostisch untersucht und stattdessen meist erst wieder behandelt, wenn sich im Sehtest eine Verschlechterung zeigt. Dieser Zeitpunkt ist aber zu spät, weil so in vielen Fällen ein Teil der Sehkraft unwiederbringlich verloren geht. Auf dem 24. Kongress der Deutschen Augenchirurgen (DOC) im Mai 2011 forderten die Augenärzte deshalb, dass betroffene Patienten künftig alle vier Wochen mit der OCT-Diagnostik untersucht werden. Aber wäre das zurzeit in Deutschland praktikabel? "Wenn diese Diagnostik Voraussetzung für die bestmögliche Versorgung der Patienten ist, dann muss sie auch flächendeckend, in ausreichender Frequenz und kassenfinanziert angeboten werden", stellt DBSV-Präsidentin Renate Reymann klar.

Und welche Auswirkungen hat der Vergleich zwischen Lucentis und Avastin? Seit 2007 ist hierzulande ein wahrer Flickenteppich von Einzellösungen für die AMD-Therapie entstanden. Der Konflikt zwischen Augenärzten, Krankenkassen und Arzneimittelherstellern hat sich immer weiter zugespitzt und ist zum offenen Schlachtfeld geworden. Im Jahr 2011 sind wir immer noch weit von einer Regelversorgung für Betroffene der feuchten Makula-Degeneration entfernt - und daran wird sich durch die oben genannten Studienergebnisse kaum etwas ändern. Denn Avastin ist für die Anwendung am Auge nicht zugelassen, der Hersteller hat an einer Zulassung kein Interesse und eine "Zwangszulassung" ist in Deutschland nicht möglich. Nach wie vor gibt es also ein zugelassenes teures und ein nicht zugelassenes billiges Medikament. Neu ist lediglich, dass die Wirksamkeit von Avastin, dem billigen Medikament, bewiesen wurde.

Relevant könnte in den nächsten Monaten ein weiterer Umstand werden: Avastin ist nur in Portionen erhältlich, wie man sie für eine Infusion gegen Darmkrebs braucht. Bis vor kurzem hatten sich Versandapotheken darauf spezialisiert, die handelsübliche Avastin-Portion in Fertigspritzen für die AMD-Therapie aufzuteilen. Dieses "Auseinzeln" ist durch ein Gerichtsurteil vom Februar 2011 erheblich erschwert worden und soll in Zukunft nur noch auf ärztliche Verordnung im Einzelfall möglich sein, also nicht im großen Maßstab wie bisher.

Es steht zu befürchten, dass die Situation in der AMD-Therapie noch für einige Zeit unübersichtlich bleiben wird. "Der DBSV kann seine seit Jahren bestehende Forderung nach einer qualitätsgesicherten AMD-Therapie im Sinne einer Regelversorgung nur bekräftigen", fasst Renate Reymann zusammen.

Juliane Willuhn, Projekt Blickpunkt Auge

Volker Lenk, Pressesprecher des DBSV