Makuladegeneration

AMD: Wenn das Augenlicht mehr und mehr erlischt - CABERNET-Studie

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Quelle: www.welt.de/gesundheit/article3738624/Wenn-das-Augenlicht-mehr-und-mehr-erlischt.html

14.05.09| Medizin

Wenn das Augenlicht mehr und mehr erlischt

Der Sehverlust kommt zunächst meist schleichend, aber dann kann der Patient plötzlich dramatisch an Sehfähigkeit verlieren: Die so genannte altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist die häufigste Ursache für Erblindung und schweren Sehverlust bei Senioren. Eine Therapie schützt mit Strahlen vor Erblindung.

Von Ronald Gerste

Zwei Formen der so genannten altersabhängigen Makuladegeneration sind bekannt, beiden ist gemein, dass Sehschärfe und Kontrast abnehmen, weil das Gebiet des schärfsten Sehens auf der Netzhaut, der gelbe Fleck (Makula lutea), zerstört wird. Bei der "trockenen" Variante der Krankheit sterben Sinneszellen ab, bei der "feuchten" Form sprießen Blutgefäße in die Makula. Tritt Gefäßflüssigkeit aus, sinkt die Sehfähigkeit rapide.

Jeder Dritte jenseits des 75.Lebensjahres leidet zumindest unter einer beginnenden AMD. Das kann eine persönliche Tragödie sein, ist aber auch ein ökonomisches Problem, weil diese Altersgruppe stetig zunimmt. Zurzeit erprobt ein internationales Forscherteam eine neue Therapie, mit der zumindest die feuchte Variante leichter und kostengünstiger als bisher behandelt werden könnte. An der "Cabernet"-Studie, die bis Ende 2010 terminiert ist, arbeiten unter anderem Professor Peter Wiedemann von der Uniklinik Leipzig und Mediziner der Universität Würzburg mit.

Bei der neuen Methode werden die störenden Blutgefäße mit Strahlen zerstört. Während eines kurzen Eingriffs führt der Operateur eine Strahlenquelle mit dem Radioisotop Strontium90 ins Auge, diese gibt Betastrahlen (Elektronen) ab.

Therapien, die das Wachstum von Blutgefäßen stoppen, die Antiangiogenese, sind beispielsweise aus der Krebsbehandlung bekannt, aber eben auch aus der Therapie der feuchten AMD, wenn neue Gefäße die wertvollsten Quadratmillimeter des Auges gefährden. Seit fast vier Jahren behandeln Augenärzte die feuchte AMD mit Medikamenten, die einen Gefäßwachstumsfaktor mit der Bezeichnung VEGF hemmen. Allerdings müssen die Wirkstoffe alle sechs Wochen in den Glaskörper des Auges injiziert werden - im OP-Saal unter klinischer Sterilität und mit einem wenn auch geringen Infektionsrisiko.

Der finanzielle Aspekt: Eine einzige Dosis der beiden dafür zugelassenen Wirkstoffe Ranibizumab und Pegaptanib kostet etwa 1250 beziehungsweise 750 Euro. Unter Kostendruck injizieren viele Augenärzte ein drittes, billigeres Präparat, Bevacizumab. Das allerdings ist gar nicht für AMD zugelassen, hat also auch nicht alle Studien bezüglich Sicherheit durchlaufen.

Eine Alternative zu dieser häufig zu wiederholenden und teuren Injektionsbehandlung ist die Strahlentherapie. Ionisierende Strahlen sind schon verschiedentlich gegen feuchte AMD angewendet worden- allerdings als Teletherapie, also mit Bestrahlung von außen. Das ist jedoch komplikationsträchtig: Gewebe in der Nachbarschaft der Makula sind hochgradig strahlensensibel. Als Nebenwirkung kann die Teletherapie die Linse trüben oder die Netzhaut schädigen.

Der neue Ansatz umgeht dieses Risiko: die Brachytherapie, die direkte Kontaktbestrahlung der Blutgefäße. Der behandelnde Arzt setzt dabei im Rahmen einer Augenoperation einen kleinen "Applikator" sanft auf die Oberfläche der Netzhaut. Es sieht aus wie die Spitze eines stumpfen Instrumentes und enthält das strahlende Strontium90. Vier Minuten lang wird behandelt, die Strahlung erreicht praktisch nur das Zielgewebe, denn ihre Reichweite beträgt nur vier Millimeter. Die sensible Linse bekommt weniger als ein Vierzigtausendstel der Therapiedosis - tausend Mal weniger als das, was eine Linsentrübung auslösen könnte.

Der Strontium-90-Applikator, der ab Juni in Deutschland erhältlich sein soll, wird zurzeit an 450 Patienten weltweit erprobt. Die Bestrahlung wird dabei in Kombination mit dem VEGF-Hemmer Ranibizumab eingesetzt.

Die Strahlentherapie kann die Zahl der Medikamenteninjektionen reduzieren oder sogar ganz überflüssig machen, zeigen erste Studienergebnisse, die Professor Wiedemann jetzt auf einem Kongress in Salzburg vorstellte. Ein Zwischenergebnis an 175 Patienten nach 18 Monaten ergab, dass sich bei 44Prozent von ihnen das Sehvermögen um drei Zeilen auf der standardisierten Sehtesttafel verbessert hatte. In einer anderen, kleineren Untersuchung, bei der die Strahlentherapie zusammen mit der Injektion von Bevacizumab erfolgte, war bei 17 von 25 Patienten der Befund so stabil, dass die Injektionen wegfallen konnten. Wichtig auch: Die Strontium-90-Bestrahlung war nachhaltig, sie musste nicht wiederholt werden. Nach bisherigen Berechnungen spart die Strontium90-Therapie gegenüber einer Ranibizumab-Behandlung schon nach 18 Monaten rund 3300 Euro.